In einem Schreiben vom 5.3.2008 an die Mitglieder des ehemaligen Pfarrgemeinderates von St. Sebastian formuliert
Weihbischof Ostermann einen Dank für das Engagement der Laien in St. Sebastian, die „seit Dezember 1999 pfarrliches Leben aufrechterhalten haben.“
Leider folgen dem Dank Aussagen, die manche in St. Sebastian als eine Ohrfeige verstehen:
„Wenn Sie auf St. Sebastian schauen, haben auch Sie nur einen ganz kleinen Teil der Menschen in St. Sebastian erreichen können. Sie blieben auch im Wesentlichen unter sich. Der Pluralität unserer Gesellschaft konnten auch Sie nicht entsprechend begegnen.“
Man könnte hier auf die verwegene Frage kommen, ob wohl die Mitglieder der Bischofskonferenz, oder auch nur die Mitglieder von Diözesanleitungen als den „Top-Repräsentanten der Kirche“ für sich in Anspruch nehmen, der Pluralität unserer Gesellschaft angemessen begegnen zu können?
In St. Sebastian haben wir sicherlich nicht alle Menschen oder auch nur alle Katholiken im Pfarrterritorium „erfasst“. Das mag noch die Idee und der Anspruch überkommener Gemeindekonzepte gewesen sein, die aus der engen Verquickung von Pfarrstruktur und Gemeindestruktur hervor gingen und in der Tat gescheitert sind. Diese Beobachtung gilt
allerdings für alle Pfarreien im Bistum Münster. Die Gemeinde der (katholischen) Christen und Christinnen und die Menschen im Gemeindegebiet sind nirgendwo deckungsgleich. Von dieser Vorstellung hat man sich schon lange zu verabschieden – diesen Schritt haben wir in St. Sebastian längst getan.
Als Gemeinde haben wir allerdings im Blick auf unser „Gebiet“ durchaus wichtige und dem Geist Jesu verpflichtete Optionen getroffen, von denen nur einige genannt seien:
- Wir haben Freiräume für Menschen und Familien mit kleinen Kindern geschaffen (von denen es gerade im Gebiet des Alten Schützenhofes sehr viele gibt), damit sie am Gottesdienst und dem Leben der Gemeinde teilnehmen können.
- Wir haben mit dem Konzept des St. Sebastian-Kindergartens ein kirchliches Angebot für die vielen Familien mit Migrationshintergrund im Gemeindegebiet zur Verfügung gestellt.
- Wir haben es als Gemeinde geschafft, Menschen mit psychischen Erkrankungen ein Stück Normalität, Integration und Partizipation zu ermöglichen.
- Wir haben es als Gemeinde geschafft, Christen und Christinnen mit anderem kulturellen Hintergrund eine Heimat zu geben, damit sie den Glauben nach ihren Traditionen, Ausdrucksformen und in ihren Sprachen leben können.
- Wir haben es als Gemeinde geschafft, Menschen, die alleine oder in nicht-familiären Partnerschaften leben, in das Leben der Gemeinde einzubinden und ihnen Raum zu geben, ihr Leben im Licht des Evangeliums und in der Gemeinschaft der Kirche zu deuten.
- Wir haben es geschafft, die Eintrittsschwellen in unsere Gemeinde niedrig zu setzen. So haben sich arme Menschen und unsichere Sucher und Sucherinnen immer wieder in St. Sebastian aufgehoben gefühlt; und zwar nicht nur als „Fälle“ für die Caritas, sondern als Mitmenschen
und Mitchristen und Mitchristinnen im Leben der Gemeinde.
Als Gemeinde, die ihr pastorales Profil nahezu vollständig ohne hauptamtliche seelsorgliche Unterstützung durch das Bistum seit nunmehr fast zehn Jahren ausgebaut und erprobt hat, empfinden wir die Aussagen des Bischofs als Ohrfeige. Der Maßstab, der an uns angelegt
wurde, wird uns und der Realität der Gemeinde nicht gerecht. Aber welcher Gemeinde wird er überhaupt gerecht?
Der Weihbischof will auch trösten. Er ruft dazu auf, „dass wir es gemeinsam in St. Sebastian und Heilig Geist ernst nehmen, dass wir vor einem radikalen Neuanfang stehen, und zwar in beiden Gemeinden“.
Schön wäre es. In diese Richtung gingen seit zwei Jahren alle Kooperationsbemühungen seitens der Gemeinde St. Sebastian. Leider haben die Entscheidungen der Bistumsleitung eine andere Wirklichkeit geschaffen. Die Gemeinde St. Sebastian wird zerschlagen und in Heilig Geist bleibt alles, wie es war.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Aussage in den Schlussworten des bischöflichen Briefes eher hilflos. Der Weihbischof möchte noch einmal den ehemaligen Mitgliedern des Pfarrgemeinderates „für seine Bemühungen herzlich danken und sie aufrichtig bitten, das
Gemeinschaftskonzept mitzutragen.“ Leider wird uns in St. Sebastian jede Basis für weitere Gemeinschaftsbildung genommen. Die Vorschläge aus unserer Gemeinde, die einen Weg gezeigt haben, wie Menschen aus St. Sebastian als Gemeinschaft(en) in einer größeren Pfarrei wichtige Beiträge zum gelebten Glauben im Südviertel Münsters geben könnten, blieben unberücksichtigt. Hoffen wir, dass die wohlklingende Absicht des Weihbischofs wenigstens nicht vollständig ungehört bleibt.