31 März 2009

Abschied vom Abschied!

Es gibt uns noch! Auch wenn wir keinen Namen haben, der noch oder schon passen würde.
"Ehemalige aus Sankt Sebastian": ... das sind die meisten von uns... aber wir haben auf der letzten Gemeindeversammlung auch formuliert, dass diese Identität für den Weg in die Zukunft nicht reicht.

"Sankt Sebastian im Exil": ... das hat sicher eine ganze Zeit lang gestimmt. Nach dem Verlust der Kirche und des festen und vertrauten Ortes der Gemeinde - und nicht zuletzt durch die uns noch durch die perfiden Zumutungen im Kontext des letzten Gottesdienstes zugefügten Kränkungen und Verletzungen - haben wir seitens der kirchlichen Verantwortlichen mehr Verstoßung als Annahme erlebt. Die Zeit seit November verbringen wir an nun an unterschiedlichen Orten - im Paulus-Kolleg und in St. Antonius/St. Joseph, wo man uns gastfreundlich empfangen hat und empfängt.
Diese Situation ist aber kein Exil - denn im Exil hat man immer noch die Hoffnung, wieder nach Hause, in die Heimat, zurückkehren zu können. Zu einer solchen Hoffnung haben wir keinen Anlass. Vielleicht sind wir sogar - bei aller Nostalgie - auch schon über die Vergangenheit hinausgewachsen...

Manchmal scheint mir unsere Situation eher wie ein Exodus. Der Gang in die zwar unsichere und unwirtliche Freiheit der Wüste - besser immerhin, als innerlich an den Fleischtöpfen verbürgerlichter Pastoral und Krämerseelenmentalität zu verkümmern.
Exodus ist ein Zwischenzustand - nicht mehr in Gefangenschaft - aber doch und um so mehr in Unsicherheit - aber mit der Verheißung, einmal anzukommen... dahin geführt zu werden, wohin noch kein Reiseplan den Weg weisen kann.
Der Exodus-Weg ist nach allen Seiten offen - nur nicht zurück! Die Richtung bestimmen Ereignisse, die gedeutet werden müssen. Als Kompass gibt es nur eine vage Verheißung und Hoffnung, deren tatsächliche Ausmaße niemand kennt.


Vielleicht ist Exodus aber auch ein zu starkes Bild. Die Rosse und Reiter der Unterdrücker sind satt in ihren Ställen geblieben. Und wir sind nicht (nur) geflohen - sondern unseren Weg weitergegangen, den wir schon lange eingeschlagen hatten; einen Weg, der uns ehrlicher schien als die Wege, in die man uns gerne einspuren wollte.

Pilgerschaft fällt mir ein, um den Status der Gemeinde zu kennzeichnen. Wir sind auf dem Weg - und keineswegs schon am Ziel. Wir haben keine Routinen, die uns binden und festlegen, starre Konventionen und Traditionen, die uns eine Heimat-Illusion geben, sondern eher Routinen der immer neuen Wachsamkeit, um die nächsten Schritte behutsam zu gehen. Das ist sicher manchmal anstrengend und es passieren auch Fehler, aber es hält uns auch offen für die Möglichkeiten, die uns auf dem Weg geschenkt werden.


Vielleicht sind wir eine Weg-Gemeinde. Vielleicht sind wir Nomadenkirche. Vielleicht hält uns nicht mehr - aber auch nicht weniger - als die Hoffnung zusammen, dass sich in der nächsten Woche wieder einige verrückt genug zeigen, um die Weggemeinschaft ein paar weitere Schritte fortzusetzen.

Das Kirchenrecht kennt solche Formen von Gemeinde und Kirche nicht. Hier herrscht der Geist der flächendeckenden Seelenverwaltung - ein Kontrollgeist aus vergangenen Zeiten, eben ein kirchenrechtlicher Verwaltungsgeist. Die christliche Tradition kennt dagegen sehr wohl die Erfahrung der Kirche als Weggemeinschaft. Das letzte Konzil nannte die Kirche "pilgerndes Gottesvolk". Die Assoziationen zu den vielfältigen Erfahrungen Israels im Exodus, im Exil und in der Diaspora scheinen hier durch.

Pilgerschaft prägt auch das "In-der-Welt-Sein" der Kirche. Nicht in der festen Burg der Pfarrei kommt der Glaube zur Welt, sondern im ganz normalen Alltag, den wir mit allen anderen Menschen teilen, deren Welt auch größer ist als die eigenen vier Wände.

Unsere Pilgerschaft beginnt erst. Es ist Zeit, das Marschgepäck zu kontrollieren. Schwere Steine haben im Reisegepäck nichts zu suchen. Unsere Herzen brauchen keine Klagemauern aus der Vergangenheit. Damit können wir die Klagen aus der Gegenwart höchstens auf Distanz halten. Damit wir uns wirklich neu auf den Weg machen können, müssen wir das Alte hinter uns lassen, Abschied vom Abschied nehmen. Ein langer Weg liegt noch vor uns... und es soll ein guter, ein sehr guter Weg sein.