27 Oktober 2008

Der letzte Gottesdienst der Gemeinde

Traurige Gesichter, nachdenkliche, stille und resignierte Menschen, viele Mitglieder der Gemeinde St. Sebastian waren am Sonntag, 26. Oktober 2008, ein letztes Mal in der Kirche. Manche von ihnen hatten zuvor die Gelegenheit der Bibelnacht genutzt, um eine letzte Nacht in "ihrer" Kirche, beim Hören der biblischen Texte, beim Wachen und Beten zu verbringen.
Lange war in der Gemeinde überlegt worden, wie man mit dem Dekret der Profanierung der Kirche zum 29.11.2008 umgehen sollte. Es schien unzumutbar, bis zum Vorabend des Ersten Advents zu warten, um ausgerechnet dann in gemeindliche Heimatlosigkeit überzugehen. Vor allem aber schien es unzumutbar, dem Akt der Entweihung der Kirche als betroffene Gemeinde überhaupt beiwohnen zu sollen. Daher wurde in der Gemeinde entschieden, einen doppelten Abschluss Ende Oktober zu gestalten. Dieser Beschluss und die Gründe dafür wurden auch im Übergangspfarrgemeinderat mitgeteilt.

Am vorletzten Sonntag des Bestehens der Gemeinde (19.10.2008) wurde bewusst im Rahmen der Nachfeier des Kirchweihfestes der Dank in das Zentrum gestellt. Der Dank für eine gute Zeit in St. Sebastian und vor allem der Dank für die gute Nachbarschaft im Stadtteil, in der Ökumene, mit der Schule usw.
Der letzte Gottesdienst (26.10.2008) sollte ausdrücklich als stiller Gottesdienst der von der Schließung betroffenen Gemeinde begangen werden. Dieser Gottesdienst sollte vor allem Raum für Trauer und Abschied sein. Der Kreis der Opfer des Fusionsprozesses bat darum, im letzten Gottesdienst als Gemeinde St. Sebastian nicht gestört zu werden. So hat es die Gemeinde gewünscht und so wurde es auch in den Gremien der zwangsfusionierten neuen Pfarrei bekannt gemacht.

Am letzten Sonntag war die Kirche voll. Der Schmerz und die Trauer standen vielen ins Gesicht geschrieben... und bei manchen auch die Wut und Enttäuschung darüber, dass die Mitglieder der Gemeinde St. Sebastian zu keiner Zeit in den letzten Jahren mit ihren Anliegen und Vorschlägen, mit ihrer Bitte um eine konkrete Gestaltung der pastoral schwierigen Situation in einer bis heute lediglich rechtlich fusionierten Pfarrei abgewiesen wurden.

In der Predigt und in den Fürbitten wurde dieser traurigen Realität nicht ausgewichen. Zur Aufgabe von St. Sebastian gehörte bis zum Schluss Ehrlichkeit gegenüber der Realität und Verweigerung gegenüber falschen Versuchen oberflächlicher Beschönigung oder jede Tragfähigkeit vermissen lassender plumper Anbiederung (vgl. den übergriffig-kumpelhaften Duz-Ton im Schreiben des Pfarrgemeinderatsvorsitzenden von Alt- und Neu-Heilig-Geist (Blogeintrag vom: 22.10.2008)). Die Predigt zielte auf die unaufgebbare Solidarität Gottes mit den Menschen und die Hoffnung, dass wenigstens dieser Glaube den Menschen in St. Sebastian nicht verloren gehen möge.
Als Zeichen des Verlassens der Kirche und als Ausdruck der Sendung der Gemeindemitglieder in die kirchliche Heimatlosigkeit wurde nach der Eucharistiefeier der leere Tabernakel offen gelassen, das ewige Licht gelöscht und der Weg auf den Vorplatz der Kirche beschritten. Dort, draußen, spendete Pater Katz den Anwesenden den Segen und entließ die Menschen in eine ungewisse Zukunft. "Gehet hin..."

(Foto: kulASchricke)

In Anschluss an den Gottesdienst wurden nur wenige Dankesworte verloren; nicht, weil es nichts zu danken gegeben hätte, sondern weil die Worte fehlten - und die Kräfte zu schönerer Rede. So wurde nur sechs Personen stellvertretend für die ganze Gemeinde gedankt:
Den "treuen Sebastianern" Pater Michael Baumbach und Pater Heiner Katz, die in der vergangenen Zeit die allergrößte Last der gottesdienstlichen und seelsorglichen Begleitung der Gemeinde getragen haben; dann Brigitte Mattes (Pfarrsekretärin) und Wolfgang Thesing (Organist), die als Hauptamtliche der Gemeinde entscheidend zur Lebendigkeit in den letzten Jahren beitrugen und schließlich Bernhard Lorbach und Eva Maria König, die faktisch als ehrenamtliche Gemeindeleitung das Leben der Gemeinde ohne "eigene" hauptamtliche Seelsorger verantwortlich und liebevoll über nahezu ein Jahrzehnt lang mitgetragen haben. Mit diesen sechs Genannten wurde allen in der Gemeinde gedankt, die zum Leben und Glauben in St. Sebastian beigetragen haben.